Sensibilisierung

Psychische Erkrankungen bei Studierenden: Universität Bamberg sensibilisiert Lehrende

Dozenten sind sich in der Kommunikation mit psychisch behinderten Studierenden oft unsicher und stoßen schnell an ihre Grenzen. Diese Wissenslücke schließt ein Weiterbildungsseminar zu psychischen Erkrankungen, das 14 Mitarbeiter der Otto-Friedrich-Universität Bamberg besuchten.

Vorurteil und Realität

Psychisch kranke Menschen sind oft hoch intelligent. Nicht wenige von ihnen absolvieren ein Hochschulstudium, zum Beispiel an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Wie viele es sind, lässt sich nicht sagen, aber schätzen. Die so genannte BEST-Studie des Deutschen Studentenwerks, deren Sonderauswertung für Bayern sich in Teilen auch mit den Ergebnissen der bundesweiten Befragung deckt, kam im Jahr 2011 zu folgendem Ergebnis: Rund sieben Prozent der Studierenden an deutschen Hochschulen haben eine Behinderung oder chronische Erkrankung. Von diesen hat die Mehrheit (94 Prozent) eine nicht sichtbare Behinderung, zu denen mit einem Anteil von 40 Prozent auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen zählen.

An der Universität Bamberg sind derzeit rund 13.000 Studierende eingeschrieben. Legt man nun das Ergebnis der BEST-Studie zugrunde, so gäbe es dort rund 910 Studierende mit einer Behinderung und chronischen Erkrankung. Nicht sichtbare Behinderungen hätten demnach 854 Studierende, von denen 364 psychisch beeinträchtigt wären. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass Dozenten der Uni Bamberg früher oder später in Lehrveranstaltungen oder Sprechstunden mit psychisch erkrankten Studierenden in Kontakt kommen.

Unsicherheit auf beiden Seiten

Zwischen  Studierenden und Dozenten besteht oft große Unsicherheit: Aus Angst, nicht verstanden zu werden, ist gerade bei psychisch erkrankten Studierenden die Hemmschwelle sehr hoch, ihre Behinderung preiszugeben und Nachteilsausgleiche, die ihnen zustehen würden, in Anspruch zu nehmen. Dozenten wiederum wissen oft nicht, wie sie auf Studierende zugehen sollen, deren Verhalten auf eine mögliche psychische Erkrankung hindeutet.

Hilfe zur Selbsthilfe

Hilfe zur Selbsthilfe für Lehrende bietet das Weiterbildungsseminar „Psychische Behinderungen bei Studierenden – wie erkenne ich sie und wie gehe ich damit um?“, welches von der Hochschulleitung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg finanziert wird. Die Idee hierzu entstand während eines Treffens von Hochschuldidaktikern des bayernweiten Universitäts-Netzwerks ProfiLehrePlus, das die Verbesserung der zertifizierten hochschuldidaktischen Weiterbildung an bayerischen Universitäten verfolgt. Zur Planung und Finanzierung der Weiterbildung holte sich das Netzwerk den Beauftragten für die Belange behinderter Studierender, Prof. Dr. Jörg Wolstein, Sabina Haselbek von der Kontaktstelle Studium und Behinderung sowie die Universitätsleitung ins Boot. Die Organisation übernahm Uta Gärtner vom Fortbildungszentrum Hochschullehre der Universität Bamberg. 

Die Dozentinnen

Mit der Sozialpädagogin und Business-Trainerin Adriana Berdami-Strunz sowie der Soziologin Sandra Ohlenforst (beide aus Würzburg) standen den Teilnehmern zwei erfahrene Dozentinnen zur Verfügung. Frau Berdami-Strunz leitet seit 1994 im Kreisverband Würzburg des Bayerischen Roten Kreuzes das teilstationäre „Tageszentrum für seelische und soziale Gesundheit“ für psychisch erkrankte Menschen. Ihre Kollegin Sandra Ohlenforst ist seit April 2010 Leiterin der Kontakt- und Informationsstelle für Studierende mit Behinderung und chronischer Erkrankung der Universität Würzburg.

Das Konzept

Das ganztätige Weiterbildungsseminar zu psychischen Erkrankungen beruht auf zwei Säulen: Im ersten Teil sammeln die Lehrenden in Kleingruppen zunächst bei Studierenden beobachtete auffällige Verhaltensmuster (zum Beispiel Schüchternheit, häufiges Weinen, Schreien), die auf psychische Erkrankungen hindeuten könnten. Mit Unterstützung der Dozentinnen arbeiten die Teilnehmer anschließend im Plenum heraus, welche dieser und weiterer Symptome auf psychische Erkrankungen nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme hindeuten und erhalten einen Überblick über die Auswirkung psychischer Krankheiten auf das Studium.

In Rollenspielen erlernen die Teilnehmer im zweiten Teil des Seminars anhand von Fallbeispielen aus der Praxis Gesprächstechniken, mit denen sie Studierende mit psychischen Erkrankungen unterstützen und an Einrichtungen mit Hilfsangeboten vermitteln können.

Fazit und Ausblick

Die Resonanz auf das erste Seminar zu psychischen Erkrankungen bei Studierenden (PDF-Datei: 63 kB) war sehr groß. Daher wird dieses Weiterbildungsseminar noch mehrmals stattfinden. Zudem soll das Weiterbildungsangebot zur Inklusion ausgebaut werden. Ein Seminar zu Körperbehinderungen ist in Planung.

Neben der Universität Bamberg findet die Weiterbildung darüber hinaus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Universität Würzburg statt. Auch die Universität Erlangen-Nürnberg sowie die Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg haben Sensibilisierungsseminare im Programm.

Weiterführende Links:

Befragung "beeinträchtigt studieren" des Deutschen Studentenwerks
Bayernweites Universitäts-Netzwerk ProfiLehrePlus
Behindertenbeauftragter der Universität Bamberg, Prof. Dr. Jörg Wolstein
Kontaktstelle Studium und Behinderung der Universität Bamberg
Sozialberatungsstelle der Universität Bamberg
Fortbildungszentrum Hochschullehre der Universität Bamberg
Tageszentrum für psychische und soziale Gesundheit des BRK-Verbands Würzburg
KIS der Universität Würzburg